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Doppel-Interview im Vorfeld des GFHL-Entry-Draft

2024-07-20

Winnipeg. Vielerorts finden rund um den Draft diverse mediale Festspiele statt.
Die Akteure: Spieler, Trainer, Manager und Funktionäre stehen allen Journalisten offen gegenüber und verschaffen so gern vielen Vertretern der berichtenden Zunft ein Plus an Reichweite.

Der heutige Beitrag möchte als Interview im Rahmen eines Eishockey-Podcast gelesen werden, für das rund um den Entry-Draft mit Björn aus Buffalo und Toby aus Winnipeg gleich zwei GFHL-GMs ihrem Gesprächspartner Rede und Antwort standen.

Beide GMs plaudern über die Vorbereitung und Organisation rund um den jährlichen Entry Draft, ziehen Vergleiche zur NHL und fachsimpeln über die eine oder andere Präferenz ihrer Scouting Teams.

Wir haben an dieser Stelle die Aussagen von GM Toby entsprechend zusammen geschnitten.

Das Presseteam der Sabres wird dies ihrerseits mit den Antworten von GM Björn getan haben, damit die geneigte Leserschaft nicht zwei Mal denselben Artikel zu lesen bekommt.

 

Frage: „Willkommen und vielen Dank für das Doppel-Interview. Der GFHL Entry Draft findet am 29. Juli ab 20:00 Uhr statt. Vorfreude für Euch – oder eher harte Arbeit?“

WPG: Beides. Die Recherchen fressen durchaus Zeit. Aber am 29. Juli fahren wir die Ernte ein. Das ist eine schöne Sache.

 

Frage: „Wann begann Eure Planung für den anstehenden GFHL-Entry Draft 2024?“

WPG: Prinzipiell startet es mit dem Ende des letzten Drafts. Mit den jungen Spieler, die nicht im Draft 2023 berücksichtigt wurden, das kommende Jahr aber potentielle Kandidaten für einen Draft sind bzw. sein können.

Hier wird deren Junioren-Laufbahn präventiv weiter verfolgt.

Wechseln diese Spieler innerhalb der CHL, steigen sie in diese auf oder entwickeln sich weiter.

Das läuft sporadisch über den Sommer.

Ab dem Herbst kommen dann ausschließlich die Stats der CHL und USHL hinzu, wo ich etwa einmal wöchentlich aus Interesse oberflächlich rein schaue. Ab dem MidTerm-Ranking geht es dann richtig los mit der Planung und der Kandidatensichtung. Sprich, ab dann werden die Excel-Listen nicht nur gefüllt sondern auch gepflegt.

 

BUF: Das Vorgehen in Winnipeg ist ziemlich beeindruckend. Der Faktor Zeit und Personal ist jedoch ein anderer. Wirklich starten tut es mit den MidTerm-Rankings, aber eher moderat.

 

Frage: „Welchen Stellenwert haben die Junioren-Weltmeisterschaften (U18, U20) in Eurem Scouting?“

BUF: Einen ziemlich Hohen, tatsächlich. Die U20-WM verfolge ich jedes Jahr täglich, per Videomaterial, wenn es sich ergibt sogar live.

 

Frage: „Und wie sieht es mit dem Stellenwert der Junioren-WM in Winnipeg aus?“

WPG: Die U20-WM ist für mich eher eine Bestätigung einzelner Namen, dass mit diesen in den vorderen Runden zu rechnen ist. Ich verfolge diese Veranstaltungen eher sporadisch, gebe dort nur wenig Priorität rein. Da macht Bjorn in Buffalo klar mehr als ich.

 

Frage: „Wie viele Spieler stehen etwa auf Eurer Draftliste (während des Prozesses / vor dem Draft)?“

BUF: Anfang Juni standen knapp 70 Namen auf der Liste. Das war der Höchstand für diesen Draft. Diese Liste variiert aber.
Aktuell, gut eine Woche vor dem Draft sind es noch gut 30 Namen bei 6-7 Picks. Je nachdem, was am Draft Day noch passiert. Wer mich kennt weiß, dass ich gern drafte und auch gern trade. Gerade in den den hinteren Runden, wenn einige GMs ihre Spieler nicht mehr erreichen und ihre Picks traden möchten, habe ich immer ein offenes Ohr.

 

WPG: … und einen direkten Konkurrenten. (lacht)

Auf der finalen Liste stehen 55 Namen für sechs Picks. Dies ist eine bereinigte Liste. Hier sind viele Spieler raus gefallen, die außerhalb der Reichweite meiner Picks (nach NHL-Draftliste) liegen.

So war beispielsweise mein Nr. 1 Kandidat lange Zeit Tij Iginla und dann Jett Luchanko.

Beide werden an Position 25 nicht mehr da sein. Da plane ich mittlerweile sehr realistisch.

In Hochzeiten umfasst die Liste knapp 100 Spieler, kommt also schon fast an das NHL-Scouting ran. Wobei ich dabei aber die wenigsten wirklich intensiv beobachtet habe.

Pro Pick haben wir gerade vier, fünf Kandidaten in der jeweiligen Reichweite, die in der engeren Auswahl sind.

Der Rest der aktuellen Spielerliste sind junge Leute, deren Alter nur knapp über dem Mindestalter liegt.

Diese werden vermutlich eher kommendes Jahr gezogen und sind so spannende Kandidaten für späte Runden.

Hier bin ich ähnlich wie der Kollege aus Buffalo gern auf der Jagd und hole mir für relativ kleinen Einsatz noch einen 6th oder 7th Pick extra.

Dies brachte auch zum Teil schon Erfolge. So waren 2016 Vincent Desharnais und Jesper Bratt in Runde 6 gepickt. 2019 Lukas Rousek in Runde 6 und Tag Bertuzzi in Runde 7, um nur einige zu nennen.

 

Frage: „Und wie hoch ist die statistische Trefferquote in Winnipeg in dieser Angelegenheit insgesamt?“

WPG: (lacht) Nächste Frage bitte!

 

Frage: „In Ordnung. Woher bezieht Ihr die Informationen, mit denen ihr eine Vorauswahl für Eure Draftspieler trefft?“

WPG: Ich habe so meine Lieblingsteams in der QMJHL, WHL und zum Teil USHL, wo ich mir gern die Kader zu Saisonbeginn ansehe und deren Stats sporadisch verfolge. Spieler, die gut produzieren, wecken immer das Interesse. Aber eben auch beispielsweise Defender, die mit hoher Eiszeit wenig Strafen ziehen und eine gute +/- Bilanz vorweisen sind Kandidaten, wo ich gern einen zweiten Blick riskiere.

Hierfür google ich gern mal nach den Lokalsport-Nachrichten der Stadt, in der die Spieler spielen. Diese Artikel sagen einiges aus und sind frei verfügbar. Auch die Spielberichte auf den Websites der Teams helfen mitunter weiter.

Ansonsten sind Eliteprospects und auch Dobberprospects sehr gute Quellen für allgemeine Informationen.

Mit den Midterm-Rankings fangen dann meist auch die ersten Youtuber an, bestimmte Kandidaten mir Highlight-Videos vorzustellen. Hier lohnt sich auch der eine oder andere Blick. Dies ist aber insofern nicht richtig zielführend, da der größte Leitfaden (oder sollte man es Leidfaden nennen?) dennoch die NHL-Draft-Reihenfolge ist. Die bestimmt, in welcher Range die Spieler, die von Interesse sind, stehen.

 

Frage: „Wie relevant ist denn die Draftreihenfolge der NHL für die Teams der GFHL?“

WPG: Die NHL-Draftreihenfolge ist bedauerlicherweise viel zu relevant. Die NHL-Teams draften nach ihren Bedarfen. Wir haben zwar dieselben Teams, aber mitunter völlig andere Roster und damit mitunter völlig verschiedene Bedarfe.

Darüber hinaus stehen in unserer Liga viel zu oft die Scoring-Stats oder eben die Overall Choice im Vordergrund.

Für mich ist die NHL-Draftliste vor allem dahingehend wichtig, welcher Spieler tatsächlich in welches Team kommt. Wie in jeder Liga hat auch die NHL mal gute, mal weniger gut aufgestellte Teams, die den Weg eines spannenden Spielers dann begünstigen oder erschweren können.

Da lohnt es sich zu schauen und daran zu orientieren.

Ansonsten reichen mir eigentlich die Rankings zum Saisonende.

Würden wir in der GFHL einmal vor der NHL draften, wäre das für mich ein ungemein spannendes Projekt.

 

BUF: Eine spannende und sehr kontroverse Frage. Natürlich ist die Reihenfolge in der NHL ein enorm wichtiger Indikator für uns, um das Leistungspotential der jungen Spieler zu katalogisieren.

Es ist allerdings nicht außer Acht zu lassen, dass die NHL-Franchises nicht nach Scoring-Listen picken sondern, wie Toby schon angeführt hat, nach ihren Needs.

Das kann dazu führen, dass der auf Platz 3 overall gezogene Spieler nicht automatisch der drittbeste Spieler des Drafts ist.

Der Draft ist immer eine Art Wette.

 

WPG: Und mit jeder Runde sinken die Quoten. Damit gehen die GMs erfreulich unterschiedlich um. Einige ziehen sich durch Trades schlicht raus, andere stellen sich demonstrativ auf die best player avaiable ein und geben sich ganz der Lotterie hin.

Ich für meinen Teil, und ich glaube, Björn auch, zocken einfach. Spätestens ab Runde 6 wird dann vieles über Bord geworfen und eigentlich nur noch Spieler anvisiert, denen man warum auch immer eine NHL-Karriere gönnt – völlig losgelöst von Stats und Scouting Reports.

Das macht es aber auch aus. Die letzten Statistiken sind glaube ich von 2020. Danach liegt die Quote von Draft-Spielern, die mehr als 200 NHL-Spiele in ihre Vita bringen, ab Runde 4 knapp unter 20%, ab Runde 6 ist sie einstellig.
Da schafft es dann statistisch etwa einer von 32 Spielern. Klar würde den jeder gern picken.
Aber bei der Wahrscheinlichkeit kann ich auch gamblen. Also mach ich das meistens.

 

Frage: „Ihr hattet vorhin die Needs angesprochen. Die Bedarfe der Teams. Welche sind Eure in diesem Draft?

WPG: Wie letztes Jahr auch in erster Linie Center. Sidney Crosby ist 37. Klar kann er immer noch auf hohem Niveau spielen, aber auch seine Karriere ist endlich. Dahinter steht mit Pierre-Luc Dubois ein großartiges Talent, der allerdings gerade diese Saison wohl beweisen muss, dass er neben dem zweifellos großem Talent auch einen professionellen Habitus entwickelt. Da ist er in der GFHL erfreulicherweise schon weiter als in der NHL. Hinter diesen beiden sieht es bei mir aber dünn aus, was die Qualität angeht. Hier sind viele Kandidaten auf der Habenseite, aber keine wirklich heißen Eisen. Auf allen anderen Positionen haben wir weniger Probleme, daher wird in Runde 1 ein Center gezogen, mit dem ersten Zug in Runde 3 mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Danach können wir im Sturm etwas streuen und es würde mich nicht wundern, wenn in den hinteren Runden der obligatorische Goalie mit einem Pick bedacht wird.

 

BUF: Die Sabres haben zwei große Bedarfe. Zum Einen die Defensive. Die zweite Baustelle ist der linke Flügel. Daher sind die ersten Runden in Buffalo nur Defender und (NHL-ready) Left Wings hoch im Kurs.

 

Frage: Über die Entwicklung welcher Eurer letzten Picks freut Ihr Euch am meisten?“

BUF: Schön ist, dass sich Alex Lafferiere inzwischen in den Fokus gespielt hat. Der ist als 3rd Round Pick nun in der NHL bei den Kings gut eingeschlagen und hat eine gute Chance auf einen Stammplatz. Der war seinerzeit ein Verlegenheits-Pick, ohne viel Scouting. Und nun von Platz 83 ins Roster. Sowas erfreut einen natürlich.

 

WPG: Seit einiger Zeit investiere ich immer mal wieder Picks in Spieler, die in zweiter Generation NHL spielen würden.
Die Väter waren in den späten 1990-er Jahren aktiv, als ich angefangen habe, die NHL zu verfolgen. Nun stehen die Söhne ihrerseits vor einer Karriere.
Derzeit beste Möglichkeiten aus meinem Team hat hierbei Ryder Rolston.
Der wird diese Saison bei mir in Manitoba regelmäßig Eiszeit haben und in der NHL hoffe ich, dass er aus Rockford ein paar Spiele zu den Blackhawks nach Chicago abgeordert wird und seine Karriere starten kann.
Wenn diese statistisch nur halb so gut wird wie die von Papa Brian Rolston, bin ich sehr zufrieden.

 

Frage: „Habt Ihr generell bestimmte Vorzüge, die Eure Spieler mitbringen sollen?“

WPG: Die gibt es in der Tat. Der Eishockeystandort Manitoba ist ein Traditions-Standort, der und schon einen gewissen Fokus darauf setzen lässt, ob wir bei Spielern, die wir suchen, vielleicht auch jemanden finden, der in der Provinz geboren und aufgewachsen ist. Die Winnipeg Jets und die Manitoba Moose sind die Aushängeschilder der Provinz Manitoba. Daher sollte aus unserer Perspektive auch der eine oder andere Spieler aus Manitoba hier auflaufen. Diese Philosophie prägt unseren Draft und ist ein wertvoller Teil. Darum scouten wir auch bevorzugt aus der WHL.

Ansonsten halte ich wenn möglich an den traditionellen Regeln fest: Spieler sollten mind. 1,80m groß sein, russische Spieler sind aufgrund der Vertragsabkommen zwischen NHL und KHL nur in der 1. Runde interessant, wenn überhaupt und Goons holt man sich ab Runde 5.

Dennoch zählt bei uns aber wie an allen Standorten das Leistungsprinzip. Daher gab es bei uns schon Ausnahmen von diesen Regeln und die wird es auch weiterhin geben.“

 

BUF: Es ist so gewachsen, dass unser Scouting in Skandinavien sehr stark ist. Die Top-Spieler im schwedischen und finnischen Junioren- und Herrenbereich werden sehr intensiv beobachtet und dementsprechend gern auch gezogen.
Doch auch bei uns geben letztlich ausschließlich sportliche Gründe den Ausschlag, sich für einen Spieler zu entscheiden.

 

Frage: „Gibt es eine ultimative Draft-Strategie? Welche Draft-Strategie ist die beste?“

BUF (lacht): Sich genügend Alternativen suchen für seine Picks. Meist wird es KEIN Wunschkonzert mit den eigenen Picks werden.

WPG: Im Draft gibt es keine Konventionen. Die Needs ändern sich, ebenso Reihenfolge und Spielermaterial. Es ist daher immer eine Lotterie. Diese ist zwar in Runde 1 noch relativ überschaubar. Doch gibt es auch dort immer ein junges Talent pro Jahr, dem der Sprung nicht gelingt.

Aus meiner Sicht kann man lediglich versuchen, die Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen, ein bis zwei Spieler aus jedem Jahr in den eigenen Kader zu integrieren.

Genau zu wissen, was man braucht, welcher Spieler funktionieren kann und wo er in der NHL hingegangen ist (ob sie dort die Grundlage haben, sich zu zeigen), dürfte eine gute Grundlage für den Erfolg bieten.

Wer hierzu keine Vision hat, sollte seinen Pick im Vorfeld gegen einen etablierten jungen Spieler traden.

Wir hatten in der jüngeren Vergangenheit häufig den 1st Pick abgegeben, um eine Chance auf den Stanley-Cup zu haben. Zwei Titelgewinne in 20/21 und 21/22 waren den Verzicht auf den 1st Rounder absolut wert.

Doch obgleich es keine beste Strategie gibt, gibt es leider genügend schlechte Strategien und diese dürfen wir in NHL wie GFHL immer mal wieder beobachten. Bei uns halt etwas häufiger. Wer sich zu wenig mit seinem Kader beschäftigt, wird nur schwer in der Lage sein, sein Team gut zu verstärken und dementsprechend länger für eine Playoff-Teilnahme brauchen. Das drückt auf den Spielspaß und so kann eine Abwärtsspirale entstehen. Die ist dann aber meist selbst erarbeitet.

 

Frage: „Vielen Dank für das Interview an Björn und Toby und Ihnen beiden eine erfolgreiche OffSeason und ein gutes Händchen beim Draft.“

BUF: Vielen Dank

WPG: Danke sehr.